Freitag, 3. Oktober 2014

5 kleine Schritte, um sofort mehr Freude am Musikhören zu haben

Meistens sind gar keine Paradigmen-Wechsel nötig, um etwas effektiver oder mit mehr Freude ausüben zu können - in der Regel reichen kleine Schritte. Und diese können auch nacheinander gemacht werden; nicht alle auf einmal.

Insofern kommen hier heute einfach ein paar kleine Inspirationen, mit denen einige hoffentliche die Freude am Musikhören wesentlich erhöhen können:

  1. Hört Musik, ohne dabei zu lesen, reden, SMS tippen etc.
  2. Holt Information im Vorfeld ein - zum Künstler, Album, den Aufnahmen etc.
  3. Verwendet das Beste Equipment und Wiedergabemedium, dass euch zur Verfügung steht
  4. Verzichtet auf "Zufällige Wiedergabe"
  5. Hört euch rein in "sperrige" Alben - sie sind immer die nachhaltigsten
Zu 1:

Musik läuft oft nur im Hintergrund, damit es daheim, im Auto etc. nicht so ruhig ist. Viele brauchen einfach dieses "Hintergrund-Gedudel". Musik wird dann erst zum echten Vergnügen, wenn sie im Vordergrund steht und die alleinige Beschäftigung ist. Dann erst kann man sich über viele Details freuen, auf den Text achten, den Klang genießen - das Gesamtbild wird wahrgenommen und man kann in eine angenehme Art von "Hör-Flow" kommen.

Zu 2:

Ich komme oft über Berichte, Interviews etc. auf neue Bands oder höre mir daraufhin sogar Bands wieder an, deren Musik mir ursprünglich gar nicht so gefallen hat. Jeder Song hat seine Geschichte - vielleicht wurde er an einem ungewöhnlichen Ort aufgenommen, hat einen sehr persönlichen Hintergrund etc. Mich interessiert dann, wie Musik klingt, die unter den jeweiligen Umständen entstanden ist. Ohne die zugehörige, tragische Story von Syd Barret zu kennen, hätte ich mir nie seine beiden Soloalben gekauft oder könnte sie einfach so hören. Auch Künstler wie Frank Zappa u.ä. bleiben vielen nach dem ersten kurzen Reinhören verborgen, weil sie nicht genug Hintergründe kennen.

Zu 3:

Hier gibt es nicht viel zu erklären - es leuchtet ein, dass hochwertiges Equipment mehr Hörvergnügen bereitet als stundenlanges Hören minderwertiger mp3s über Miniboxen.

Zu 4:

Außer bei selbst erstellten Playlists sollte man auf die zufällige Wiedergabe verzichten. Auch wenn die Albumkultur gerade ziemlich ausstirbt - die Bands und Künstler machen sich Gedanken, welche Reihenfolge sinnvoll ist; und das ist auch nicht eine der einfachen Überlegungen bei der Produktion eines Albums. Wir sprechen über Kunst, und die Intention der Künstler sollte in allen Aspekten respektiert und wahrgenommen werden. Bücher liest man ja auch nicht kreuz und quer, sondern eine Seite nach der anderen.

Zu 5:

Oft ist es mir schon passiert, dass mich Alben überwältigt haben; und daher liefen sie in Dauer-Rotation. Das waren meist die, die sofort zugänglich waren. Und dann kam der Zeitpunkt, wo ich mich so sattgehört habe, dass ich diese Alben nicht mehr hören mag. Mir persönlich ging es u.a. so bei Linkin Park, Audioslave oder Biffy Clyro. Wenn ich mich aber mal in Alben reingehört habe (zum Teil aus Gründen, die unter Punkt 2 dieses Beitrags genannt wurden), die mir erstmal gar nicht so gefallen haben - diese Songs kamen dann oft mit einem Mal gewaltig gut an. Diese Bands und Alben, die erstmal entdeckt oder "erarbeitet" werden wollen, nutzen sich nie ab und lassen einen immer wieder Neues entdecken. Mir ist das passiert bei Helmet, Interpol, Queens of the Stone Age oder vielen Künstlern im Jazzbereich.
Dies sind erstmal nur für den Start einige Ideen. Es gibt noch viele mehr. Ich freue mich über euer Feedback!

Montag, 23. Juni 2014

Ist die Banane gelb - oder blau?! - Teil 2

"Beim Hören existiert keine Melodie; die physikalischen Ereignisse sind Stärke und Frequenz der ins Innenohr an die Haarzellen gelangenden Schalldruckwellen, die als solche überhaupt nichts mit Hören zu tun haben." - Heinrich Besseler 

Man muss den Vorgang des Hörens in zwei - wie wir inzwischen wissen - voneinander getrennte Vorgänge unterteilen:
  • der physikalische Vorgang
  • die Interpretation im Bewusstsein des Hörers
Hören zieht Denken und Erkennen nach sich; den Reizen wird ein Sinn zugeordnet. Wenn das Hören erlernt werden soll, muss musikalisches Denken erlernt werden. Musik, Töne, Klänge, Melodie, Rhythmus - das alles entsteht vom erkennen und vom Sinn erst im Kopf, nicht im Ohr.

 Der physikalische Vorgang ist relativ klar und bekannt: Schallwellen gelangen über den Gehörgang von außen über das Mittelohr in das Innenohr. Dort werden mechanische Schwingungen in elektrochemische Signale umgewandelt und gelangen in den auditorischen Cortex (Hörrinde). Die entsprechenden Nervenzellen reagieren hier auf diese Signale.

Wie das Ganze nun interpretiert wird (vom Geräusch oder Lärm hin zum musikalischen Empfinden), hängt ab von der Erfahrung, Einstellung und Ausbildung im musikalischen Bereich. Daher gibt es auch einige verschiedene Reaktionen auf Musik:
  • motorisch (Fußwippen)
  • visuell (Farben sehen)
  • vegetativ (Gänsehaut, Herzklopfen)
  • psychisch (Angst, Freude)
  • kognitiv (Erkennen von Songs und Interpreten)

"Der Beweis für eine genetische Grundlage für Musik steht noch aus, aber die Hinweise darauf häufen sich." - Robert Zatorre, Neuropsychologe 


Was genau im Hirn vor sich geht, wenn ein Mensch Musik hört, ist (noch) nicht wirklich geklärt, aber immerhin Teil zahlreicher Studien. Diese sollen viele Thesen und Vermutungen bestätigen.

So soll Musikhören sich auf das Befinden in gesundheitlichen Aspekten positiv auswirken - also nicht nur auf die Stimmung und Emotionen, sondern tatsächlich auch meßbar in medizinischen Größen. Musik wird in dem Gehirn-Areal verarbeitet, das quasi als "Belohnungssystem" fungiert. Dies teilt uns mit, ob etwas wertvoll, wichtig oder gar überlebensnotwendig ist. Glückshormone werden produziert und Angstzustände können sogar bei Patienten gemildert werden. Sogar als eine Art Schmerzmittel kann Musikhören in therapeutischen Sinn eingesetzt werden. 

Wer seine Lieblingslieder hört, regt die Dopaminausschüttung an. Dieser Botenstoff ist zuständig für Belohnung...und die Entwicklung von Sucht! Allerdings besteht keine Gesundheitsgefahr, wie z.B. bei Alkohol. Wer seine Lieblings-Alben hört, weiß jetzt also, warum man sich dabei immer so gut fühlt. Die zahlreichen geliebten Stellen lassen uns "belohnt" fühlen und die Vorfreude sorgt für die Dopamin-Ausschüttung.

Übrigens sind bei allen die gleichen Gehirn-Areale aktiv, wenn Musik gehört wird. Der phyikalische Vorgang des Hörens bis hin zur Aktivität im Gehirn ist derselbe. Egal ob Musiker oder nicht, Musikfan oder nicht. Was macht dann also aus, ob uns etwas gefällt oder nicht? Auch das ist noch nicht abschließend erforscht, hängt aber sicher von sozialen und emotionalen Faktoren ab.

Dienstag, 6. Mai 2014

Ist die Banane gelb - oder blau?! - Teil 1

Im Jahr 2005 stieß ich im "audio"-Magazin auf einen sehr interessanten Artikel - eine Entdeckung der Uni Heidelberg, die eine Erklärung für manche musikalische Phänomene zu sein scheint - warum hat man sich z.B. das Instrument ausgesucht, das man spielt? Warum mag jemand Jazz, der andere lieber Klassik und der nächste nur Death Metal? Warum beurteilt der eine den Klang von Audio-Equipment als gut, der andere als lediglich mittelmäßig?

Ein Zitat macht mit einem Vergleich deutlich, worum es geht:

"Menschen nehmen Tonhöhen mit bis zu vier Oktaven Unterschied wahr. Als ob man statt einer gelben eine blaue Banane sehen würde." Dr. Peter Schneider

Es geht darum, dass die Menschen sich unterscheiden in der Art ihrer akustischen Wahrnehmung und Verarbeitung: es gibt Grundtonhörer, und es gibt Obertonhörer. Ich bin Grundtonhörer, was auch dazu passt, dass ich Drummer bin - bzw. durch meine Art zu hören dieses Instrument ausgesucht habe. Dazu später mehr. Das Ganze ist ein recht komplexes Thema, daher werde ich es auf mehrere Beiträge aufteilen.

Nun muss man erstmal klären, was Grund- bzw. Obertöne überhaupt sind. Ein natürlicher Klang besteht aus eben diesen beiden Komponenten - der Grundfrequenz (= Grundton) und Vielfachen dieser Frequenz (= Obertöne). Der Charakter von Geräuschen, Stimmen, Instrumenten etc.wird definiert durch das Obertonspektrum, also Anzahl und Stärke der Obertöne.

Es gab damals einen auf CD beiliegenden Hörtest, um zu ermitteln, ob jemand eher Grundtöne oder Obertöne wahrnimmt. Im Netz kann dies hier durchführen: http://hoertyp.de/. Bei den gleichen Beispielen kommt nun je nach Veranlagung heraus, dass eine Tonfolge absteigend - oder aufsteigend ist! Grundtonhörer ergänzen aus den vorhandenen Obertönen die Grundfrequenz und legen so die Tonhöhe fest - das Gehirn des Obertonhörers legt die Tonhöhe mittels des vorhandenen Obertonspektrums fest. Und bei diesen beiden Methoden kann nun der erhebliche Unterschied von bis zu 4 (!) Oktaven entstehen. So hört beispielsweise der eine ein eingestrichenes B, der andere im gleichen Moment ein viergestrichenes F...

"Die statistische Verteilung spricht dafür, dass es mehr extreme Grund- oder Obertonhörer gibt als gemässigte Hörer, deren Werte sich in den ausgeglicherenen Bereichen finden. Anders ausgedrückt: es gibt mehr Menschen, die statt einer gelben eine blaue Banane sehen." audio Magazin, 01/2006, S. 13

Im Gehirn lassen sich eindeutig auch Unterscheide zwischen beiden Hörtypen feststellen; ein Teil im Hörkortex ist jeweils in der linken oder rechten Hirnhälfte größer als auf der anderen Seite. Unabhängig von Alter, Geschlecht oder musikalischer Vorbildung spricht also eine Seite des Gehirns mehr auf Klänge und Musik an als die andere. Diese Dominanz einer Seite ist angeboren (die andere Seite ist nicht komplett inaktiv, spricht aber wesentlich weniger an).

Ist der linke Bereich dominant, spricht das Gehirn mehr auf kurze, schnelle Impulse an; Klänge unter einer Länge von 50 ms. Dies sind die Grundtonhörer. Daher bin ich wohl Drummer geworden, da ich Grundtonhörer bin. Gitarre, Klavier und hochfrequente Soloinstrumente (Flöte, Trompete,...) gehören auch zu den gewählten Instrumenten von Grundtonhörern. Die rechte Seite spricht mehr an auf längere Töne und die spektrale Verarbeitung des Gehörten. Lange getrage Melodien entsprechen den Vorlieben von Obertonhörern. Hier findet man meistens SängerInnen, Streicher, Orgel, Blech- und Holzblasinstrumente in tieferen Lagen.

Grundtonhörer achten verstärkt auf Timing und Präzision. Obertonhörer scheinen demgegenüber toleranter zu sein - dafür fallen diesen Klangverfärbungen sehr stark auf.

Ein interessanter Hinweis findet sich noch in dem bereits erwähnten Artikel aus dem audio-Magazin: "Interessanterweise stimmt die Einteilung der bevorzugten Instrumente nach Grund- und Oberton mit der Sitzordnung in einem modernen Sinfonieorchester überein." audio Magazin, 01/2006, S. 14

Im nächsten Teil beschreibe ich weitere interessante Fakten und mögliche Auswirkungen zu diesem Thema. Zum Schluss dieses Beitrags sollte noch ein wichtiges Zitat stehen:

"Grund- und Obertonhörer hören weder besser noch schlechter. Sie hören nur unterschiedlich." Dr. Peter Schneider

Donnerstag, 1. Mai 2014

Ist das Hören von mp3 und Co. zu anstrengend für unser Gehirn?

Neben den oft diskutierten "Vorwürfen" gegenüber mp3s und ähnlichen datenreduzierten digitalen Audioformaten wie Untergang der Albumkultur, keine großen Coverbilder mehr möglich etc. gibt es interessante Ansätze zu erklären, warum es rein körperlich sehr unangenehm ist, über einen längeren Zeitraum derartige Formate zu hören.

Dies geschieht unbewusst - kaum ein Musikkonsument kann benennen, was ihn dazu bringt, die Musik nach einer Weile abzuschalten. Dennoch kennen vielen dieses Phänomen, auch Jugendliche, die ja mit diesen Formaten aufwachsen.

Dies liegt hauptsächlich an zwei Faktoren:
  • fehlende Daten, die das Gehirn ergänzen muss
  • fehlende Dynamik durch zu viel Kompression
Dies sind keine wissenschaftlich eindeutig nachweisbaren Phänomene, es ist umstritten, ob es pauschal so für alle Hörer zutrifft. Aber die "Vorwürfe" sind andererseits nicht von der Hand zu weisen. Zumindest wurde folgendes bereits nachgewiesen: verschiedene Klangqualitäten haben auch verschiedene Hirnaktivitäten zur Folge - schlechtere Klangqualität benötigt mehr Areale im Gehirn und damit mehr Leistung. Auch wenn die Musik als mp3 o.ä. scheinbar "ok" klingt, ist das Unterbewusstsein immer mit dem Ergänzen der fehlenden Daten beschäftigt.

Viele meiner jugendlichen Schlagzeugschüler/-innen haben mir schon berichtet, dass sie nach einer Weile Probleme haben, weiter Musik zu hören - irgendetwas ermüdet sie und raubt ihnen die Konzentration. Das könnte daran liegen, dass das Gehirn die im Zuge der Datenreduktion entfernten Klanganteile wieder hinzurechnet - die Musik fordert also permanente Denkleistung, aber nicht für den musikalischen Inhalt, sondern um es für den Hörer wieder komplett erfassbar zu machen. Und man muss hier auch etwas weiter denken - Mobilfunkgespräche sind ebenfalls digital und datenreduziert. Wir müssen also nicht nur beim bewussten Musikhören, sondern auch beim teilweise belanglosen Telefonieren unser Gehirn anstrengen.

Erschreckend sind diese Entwicklungen meiner Meinung nach auf jeden Fall, und auch die Wissenschaft lässt dieses Thema nicht links liegen. Allerdings machen die Forscher auch nicht all zu viel Hoffnung:

"Wissenschaftler wollen herausfinden, ob sich Menschen an mindere Tonqualität gewöhnen können. Geht es um bewusste Wahrnehmung, ist dies bereits erwiesen, doch es könnte möglicherweise auch für unbewusstes Rezipieren gelten. Manche Forscher vermuten, dass Gehirne von Menschen, die schon als Jugendliche ausschließlich MP3-Musik hören, später die Lücken in der komprimierten Klängen nicht mehr füllen wollen und von schlechter Qualität völlig unberührt bleiben." (Die Welt; 05.10.13; http://www.welt.de/wissenschaft/article120646901/Warum-uns-komprimierter-Digitalklang-so-nervt.html)

Interessanterweise war auch mindestens eine Person, die die Musikindustrie durch ein datenreduziertes Format revolutioniert hat, lieber dem Vinyl-Schallplatten-Hören zugeneigt...die Auflösung, wer das war, folgt am Ende dieses Beitrags.

Der zweite Faktor - übermäßige Komprimierung der Dynamik - ist auch bekannt als "Loudness War". Eine gute und beeindruckende akustische Darstellung wird hier geboten: https://www.youtube.com/watch?v=3Gmex_4hreQ.

Generell steckt dahinter die Überlegung, dass laute Musik beeindruckender ist und dadurch im Radio, Club etc. eher wahrgenommen wird. Deshalb wird der Dynamikumfang durch entsprechende Prozessoren sehr stark eingeschränkt - eigentlich leise Passagen wie z.B. eine Bridge nur mit Akustik-Gitarre sind dann genau so laut wie der Refrain mit zwei Gitarren und fetten Drums. Man spricht in diesem Zusmmenhang übrigens von der Lautheit, nicht von der Lautstärke.

Ohne nun zu sehr ins tontechnische abzuschweifen - diese Methode führt in den meisten Fällen zu kurzen digitalen Übersteuerungen (Clippings). Und dies wird über eine längere Hördauer dann einfach auch unbewusst als sehr unangenehm empfunden. Bekannte Beispiele für extreme Lautheit und damit auch leider keinem sehr angenehmen Sound sind "Californication" der Red Hot Chili Peppers oder "Death Magnetic" von Metallica. Fans und Hi-Fi-Enthusiasten waren bei den jeweiligen Releases dieser Alben gleichermaßen enttäuscht und es gab sogar Unterschriftensammlungen, um neue Abmischungen/Masterings zu erreichen. Viele Hörer können kein komplettes Album durchhören, dass extrem in der Lautheit bearbeitet wurde.

Dies sollte man einfach mal bedenken, wenn man Musik hören möchte und die Wahl hat. Es muss sich nicht jeder mit einem Glas Rotwein vor den 20.000 Euro Schallplattenspieler setzen - aber es muss vielleicht auch nicht immer youtube in der geringsten Auflösung über eingebaute Lautsprecher sein. Vielleicht findet der/die ein oder andere ja heraus, dass man dann auch länger und mit noch mehr Spass Musik geniessen kann. Die lebende Legende Neil Young sagte in diesem Zusammenhang:

"What everybody gets [on an MP3] is 5% of what we originally make in the studio," he said. "We live in the digital age, and unfortunately it's degrading our music, not improving." theguardian.com,

Und wer war nun der Pionier, der die Musikbranche mit Digitalformaten und enstprechenden Abspielgeräten und einem Store revolutioniert hat - und dann doch daheim lieber den Plattenspieler laufen ließ - ganz klar: Steve Jobs. Lassen wir zum Abschluss noch einmal Neil Young zu Wort kommen, der momentan einen eigenen Player mit hochauflösenden Formaten an den Start bringt - ein Projekt, das eigentlich mit Steve Jobs als audiophiler iPod geplant war:

“Steve Jobs was a pioneer of digital music, but when he went home he listened to vinyl.” - Neil Young




Mittwoch, 16. April 2014

"Hört auf!" - Warum wir durch Hören "Sind".

"Eine der merkwürdigen Verfallserscheinungen des modernen Menschen ist die zunehmende Abschwächung seines akustischen Sinnes."
Marius Schneider, Musikethnologe


Ich arbeite seit über 15 Jahren beruflich in verschiedenen Bereichen des "Hörens" - in meinem Studio KMC und in der Modern Music School. Ich bin also ein professioneller Hörer. Außerdem höre ich seit ich denken kann "bewusst" - erst Hörspiele als Kind und dann natürlich relativ schnell Musik. Da bleibt es nicht aus, dass man sich fragt, was überhaupt hinter dem Hören und dem dazugehörigen Organ, eben unseren Ohren, steckt. Denn sie machen die Freude am Musikhören oder der Kreation von musikalischen Werken erst möglich. Dabei meine ich überwiegend keine biologische Abhandlung über das Gehör, sondern eher eine, nun ja, philosophische Herangehensweise...

Einen ersten Hinweis auf die Relevanz dieses Sinnesorgans kann man schon im Sprachgebrauch erkennen. "Hör auf" - mit diesem gehörbezogenen Ausspruch fordert man auf, eine Tätigkeit einzustellen. Oder: "Du hörst mir überhaupt nicht zu!" - wie oft hört man diesen Vorwurf im gesellschaftlichen, sozialen Miteinander! Für die menschliche Kommunikation ist das Gehör also das primäre Mittel für den Austausch von Informationen, Gefühlen etc. Stummfilme kamen nicht ohne Texteinblendungen aus - ohne Dialoge oder Erklärungen ist es einfach zu schwierig, Geschichten oder generell Sachverhalte präzise darzustellen. "Vernunft" stammt von dem Wort "Vernehmen", also dem Hörvorgang. "Versehen" leitet sich ab von "Sehen"...

Ein absoluter Meister im in Sachen "Hören" war Joachim-Ernst Berendt, ein deutscher Autor, Musikjournalist und Produzent. Der Jazz in Deutschland hat ihm viel zu verdanken. In seinen Werken (Das Dritte Ohr; Nada Brahma; Kraft aus der Stille) gibt er viele Hinweise aus der Natur, die die Relevanz des Hör-Sinns unterstreichen. Seine Schreibweise mag zunächst sehr esoterisch-philosophisch anmuten, und es sind teilweise auch Bücher, die in diesem Genre anzusiedeln sind. Dennoch machen seine Worte bewusst, was es heisst, zu Hören:

"Bevor wir diese Erde betreten - und unser ganzes Leben hindurch, auch dann, wenn in der Stunde des Todes bereits alle anderen Sinne versagen -, hören wir - was doch signalisiert: mit keinem unserer Sinne sind wir so sehr, wie wir hörend sind! Muss das nicht der eigentliche Grund dafür sein, dass wir unsere Ohren nie und nimmer schließen können, solange wir leben? Weil Hören Sein ist?" (aus "Das Dritte Ohr", S. 103, Traumzeit Verlag)


Es gibt zudem eindeutige Fakten der Natur, die kaum einem bekannt oder bewusst sein dürften:
  • die Wahrnehmungsbreite des Ohrs ist exakt zehnfach größer als des Auges
  • kein anderes Organ spricht auf minimalste Impulse an wie das Gehör
  • das Bewusstsein beginnt im Mutterleib mit dem Hören des Herzschlags der Mutter; die Ohren sind das erste vollständig entwickelte Organ
  • das Ohr ist der einzige menschliche Sinn, der sowohl Zahlgröße als auch Zahlwert erkennen kann (1:2 als Oktave, ...)
Man kann sogar die Bedeutung des Hörens als überlebenswichtig einstufen. Im Schlaf schliessen wir Augen und Mund. Die Ohren aber können wir nicht „zumachen“. Wir hören immer.

Daraus resultiert, dass es für einen Menschen in ziemlichen (unbewussten) Stress münden kann, wenn dieser ständig Lärm, zufälliger Musik und sonstiger akustischer Umweltverschmutzung ausgeliefert ist. Trotzdem sind wir einen permanenten Geräuschpegel gewohnt und empfinden absolute Stille als unangenehm. Übrigens: in schalltoten Räumen, wie sie z.B. zum Messen von Mikrofonen existieren, fällt man um, wenn man die Augen schließt. Ohne jegliche Rauminformation durch die Augen, noch mehr aber die Ohren, fehlt jeglicher Orientierungs- und Gleichgewichtssinn. Dieser ist im Gehör angesiedelt.

Es gibt Studien, nach denen taube Menschen wesentlich aggresiver sind als Blinde. Wir kommen hörend in dieser Welt einfach besser zurecht als nur sehend. Das Auge alleine erlaubt uns keine ausreichende Kommunikation und keine Warnung vor Gefahren.

Dies macht deutlich, wie sehr es uns positiv beeinflussen kann, sich etwas mit Musikhören zu befassen. Und es lässt einen auch doch irgendwie ahnen, dass man Musik vielleicht nicht nur durch die kleinen „Laut“sprecher des Handys in einer geringen Auflösung hören sollte. Dazu in einem späteren Beitrag mehr.

Für den absolut größten Teil der Menschheit zählt Musik zu den positivsten Dingen im Leben. Sie mag nicht die größte Rolle im Leben spielen, aber ich kenne keinen, der sagt: "Ich mag Lieder und Musik allgemein nicht!". Musik kann Erinnerungen wecken und Emotionen erzeugen. Für viele sind nur wenige Sekunden eines bestimmten Songs nötig zu hören, um zurückversetzt zu werden an das erste Date, an einen Sieg der Lieblingsmannschaft im eigenen Stadion usw.

Diese Eigenschaften kann man sich zunutze machen - wenn man etwas bewusst vorgeht. Es ist im Alltag nicht möglich, jeder akustischen Hintergrundberieselung zu entgehen und sicher auch nicht nötig. Aber es ist vergleichbar mit bewusster Ernährung - man muss nicht unbedingt Vegetarier werden; aber bewusster Konsum von Fleisch erhöht den Genuss dessen und dient der Gesundheit. Ähnlich ist es bei Musik. Es gibt etliche Hinweise der Natur, dass dem Gehör eine besondere Bedeutung zukommt.

Musik nur im „vorbei gehen“ zu Hören ist wie Fast Food. Kurz macht es satt, hinterher fragt man sich, was der Sinn war und man hat noch mehr Hunger. Bewusst genossen, ist die Dosis eventuell geringer, aber wesentlich befriedigender und nahrhafter.

Da die Natur dem Gehör so viel Bedeutung zugesteht, ist es überaus wichtig, diesem Sinnesorgan nur Gutes zu tun, um ausgeglichen sein zu können. Ständige Belastung tut nicht gut. Wir sollten entscheiden, was, wieviel, wie laut und in welcher Qualität wir unserem Gehör und damit uns selbst zumuten.

Nach diesem etwas esoterisch-philosophisch angehauchten Beitrag mit vielen Denkanstössen geht es nächste Woche wieder konkreter um Strategien für Musikhören in der Gegenwart.

Bis dahin
Timo

Montag, 7. April 2014

Musikhören im Playlist-Zeitalter

Wir haben ein Zeitalter erreicht, in dem das Produkt Musik anders wahrgenommen, konsumiert und produziert wird. Generationen, die vor den 90er-Jahren das Licht der Welt erblickten, wuchsen mit den Wechsel auf die CD auf und der Schritt zum Streamen kam einem Paradigmenwechsel gleich. Heute ist es Alltag. Die Album-Kultur verschwindet, langer und nachhaltiger Künstleraufbau scheint schier unmöglich.




Ich würde mich freuen, wenn ich mit meinen Posts mehrere Dinge erreichen und mehrere Arten von Lesern (und Hörern!) erreichen kann:
  • Menschen meiner Generation, für die der Schritt zu mp3s oder Streaming-Diensten eim genau so großer Schritt war wie der von der DM zum Euro und die damit kämpfen, dass sich Musik-Hören verändert hat
  • junge Menschen, denen nicht klar ist, dass man auch heute noch Spass an „Fan“-Sein haben kann und die eine Strategie benötigen, um sich im Überangebot zurecht zu finden
  • Künstler, die ihre Musik sinnvoll in die Welt bringen wollen
  • Musikschüler, die erstmal Hören müssen, um mit Aufnahmen oder Bands spielen zu können
  • Musiklehrer, die ihre Schüler verstehen müssen, um sie sinnvoll an Musik heranführen wollen
  • ältere Menschen, die die Welt der Musik und ihren Konsum im Internet-Zeitalter verstehen wollen


Ich möchte die Kultur des Hörens bewahren. Das klingt nach einem großen Ziel. Aber es darf nicht sein, dass es als seltsam betrachtet wird, wenn jemand sich mit Kopfhörern und dem Booklet einer Platte oder einer CD hinsetzt, die Augen schließt und hört. Ohne dabei online zu sein oder nach 4 Sekunden weiterzuschalten.

Ich selbst habe mich lange dagegen gewehrt, Musik nur noch online zu konsumieren. Zu sehr schien mein Lebenslauf auf Künstlerseite ausgerichtet zu sein. Musik ist für mich nicht eine Datei. Es gehören zumindest ein physischer Datenträger und ein Booklet dazu. Und dennoch war gerade dies ein Grund, sich mit den gegenwärtigen Fakten einmal auseinander zu setzen. Und das Beste daraus zu machen. Inzwischen bin ich soweit, dass ich mir das aktuelle Pearl Jam Album auf CD gekauft und im Schrank stehen habe. Ich höre es aber fast ausschließlich über Spotify. Das geht bekanntermaßen sogar offline, da ich das Album als Playlist auf dem iPhone gespeichert habe. Und es hat ja Vorteile - ich entdecke nach und nach die Schätze, mit den ich groß wurde und die ich nur noch auf Kassette besitze. Ein Medium, dass man heute wahrlich nicht mehr einsetzen möchte. Und so beschert mir die moderne Welt viele Zeitreisen in die Vergangenheit, Erinnerungen und Emotionen werden wach; und oft bin ich enttäuscht...die Helden meiner Jugend klingen für meine Ohren heute gar nicht mehr so aufregend oder interessant wie damals...meine musikalische Biographie findet also auch vermehrt in Playlists statt.

In meinem nächsten Beitrag geht es zunächst einmal darum, warum die Natur den Sinn des "Hörens" als so wichtig erachtet hat und woran wir dies erkennen.

Bis dahin
Timo